Wisst Ihr, was mich traurig und manchmal auch ziemlich wütend macht? Wenn Ihr Menschen begegnet, die euch noch als Fußgänger kannten und nun nicht damit klarkommen, dass es jetzt anders ist.

Da ist man jahrelang mit anderen Leuten in einer Klasse, freundet sich langsam an, versteht sich eigentlich gut und man teilt ja auch relativ viel Zeit miteinander. Man grüßt sich, wenn man sich woanders über den Weg läuft und hält ein kleines Schwätzchen. Nun bekommt dein eigenes Leben eine Wendung, verläuft vollkommen anders, als du jemals geahnt hättest und diese ehemaligen Freunde, nun mehr Bekannte, kennen dich nicht mehr. Wenn sie dir entgegenkommen schauen sie schnell weg, drehen sich verstohlen um oder sind plötzlich ultrawichtig mit ihrem Handy beschäftigt. Als ob du nicht schon längst gemerkt hättest, dass sie dich gesehen haben. „Ok“, dachte ich anfangs, „vielleicht brauchen die Leute auch einfach Zeit mit der Situation umzugehen. Für dich war es nicht leicht, aber vielleicht sind sie einfach unsicher. Ist ja nicht schlimm.“. Naja, dem war offensichtlich nicht so. Als ich ein gutes halbes Jahr später wieder fast in die gleiche Person gefahren bin und sie sich wieder zu schnell wegdrehte, rief ich schnell: „Ach, hallo … ! Wie geht’s dir? Du studierst also auch hier.“ Und wartete auf eine Reaktion. Sie drehte sich um und ich konnte unschwer erkennen, wie sie sich ein Lächeln von den Lippen abrang und nach Worten suchte. Das Gespräch kam absolut nicht in Gang. Daher konfrontierte ich sie direkt mit der Tatsache, warum sie immer wegschauen und wo genau das Problem liegen würde. Total gespielte Überraschung ihrerseits. Das würde natürlich alles nicht stimmen und so. Ich gab es auf. Denn diese Situation steht für viele weitere. Anfangs fragen dich noch viele, die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Aber wirkliches Interesse hat am Ende ja doch keiner und das Beste ist sogar: teilweise wurden vollkommen ausgedachte Geschichten darüber erzählt, warum ich im Rollstuhl sitze. Was manche Menschen reitet, sich so etwas auszudenken, verstehe ich wirklich nicht.

Tja und dann gibt es noch die zweite Gruppe Menschen, die auch mit deiner Behinderung nicht klarkommt, aber deshalb immer vor dir weinen muss. Muss das sein? Ich meine 1.: sitze ich nun nicht erst seit gestern im Rollstuhl, sondern mittlerweile seit knapp drei Jahren! Da könnte man in der Zwischenzeit ja wohl mal damit klargekommen sein oder wenigstens im Stillen weinen. Denn das führt mich zu 2.: drei Jahre sind eine lange Zeit und meine Trauer hält sich mittlerweile in Grenzen. Aber muss ich dann andere Leute mittrösten, weil sie mit meiner Situation nicht klarkommen? Das soll nicht kaltherzig klingen, aber es ist doch nun mal mein Leben, mit dem ich klarkommen muss und wenn ich eines gar nicht gebrauchen kann, dann andere Menschen die mir immer wieder aufs Brot schmieren, wie schlimm das doch alles ist. Vielleicht ist es für mich nicht schlimm, weil es mein Alltag ist? Weil es mein Leben ist? Wie soll ich denn ein Leben führen, mit dem ich nicht zufrieden bin? Manchmal wünsche ich mir einfach ein wenig Weitblick, wenn mir andere Menschen begegnen. Ich bin kein anderer Mensch geworden, nur, weil ich nicht mehr laufen kann. Und ganz genauso möchte ich nicht jedes Mal eine Trauerrede hören, weil ich früher doch ach so schnell laufen konnte und es um mein Handballtalent nun doch so schade ist. Ich möchte nicht immer daran erinnert werden, wie mein altes, früheres Leben war. Sondern ich lebe im Hier und Jetzt und nur das ist wichtig und zählt für mich!