Mittlerweile waren wir nun schon 9 Tage auf unserer Reise unterwegs und hatten schon so unglaublich viel gesehen und erlebt! Wie lange wir nun noch weiter unterwegs sein wollten, sollte ab jetzt unsere Lust und unser Geldbeutel entscheiden.
Gießen
Mâcon
Montpellier
Nîmes
Saintes-Maries-de-la-Mer
Bédoin
Alpe d'Huez
gefahrene KM
Tage
Nächte im Hotel
Nächte auf dem Campingplatz
Schon am zweiten Abend in Bédoin hatten wir festgestellt, dass wir im Urlaub nun schon fast alles erlebt hatten, was man auf einer Reise erleben kann. Wir lagen nichts tuend am Strand und genossen die Sonne und das Rauschen des Meeres. Wir machten Dorf- und Stadtbesichtigungen. Fuhren auf hohe Berge und genossen die Aussicht. Wir waren an Flüssen, am Meer und an Seen gewesen – nur das Gebirge hatten wir bisher noch nicht gesehen. Daher planten wir auf unserer Heimreise einen kleinen Schlenker Richtung Alpe d’Huez, um uns nochmal eine ganz andere Gegend Frankreichs anzuschauen.
Alle anderen Ziele hatte ich bisher schon gekannt und bereist, nur die französischen Alpen noch nicht. Es war ein merkwürdiges Gefühl noch in Frankreich zu sein und doch sah es aus wie im Winterurlaub in Bayern oder Österreich. Riesige, massive Holzhäuser mit Gravuren und Stiefmütterchen in den Balkonkästen und zwischen all diesen urig aussehenden Häusern lag unser Campingplatz RCN Belledonne. Diesen hatten wir schon von Bédoin aus gebucht und Glück gehabt, den wirklich letzten freien Zeltplatz bekommen zu haben. Wir wussten zwar, dass dieser Campingplatz zu einem niederländischen Anbieter gehört, aber dass wir mitten in einer holländischen Enklave landen, hätten wir nun wirklich nicht vermutet. Wirklich jeder auf diesem Platz war Holländer – bis auf ein Pärchen aus England und wir! Sogar die Schilder waren zunächst auf niederländisch geschrieben und erst dann auf französisch, sodass wir quasi auch noch einen Abstecher nach Holland machten! Natürlich war das auch relativ lustig, schließlich hielt uns jeder für Holländer – vielleicht auch meines Aussehens wegen (ich bin jetzt ja nicht so der südeuropäische Haut- und Haartyp) und quatschte uns an und wir konnten nur nett lächeln und nicken, weil wir fast nichts verstanden.
Das Kriterium, weshalb wir uns für diesen Campingplatz entschieden hatten, waren vor allem die 9/10 Sterne im ADAC-Campingführer, da wir davon ausgingen, dass sich diese wesentlich auf die sanitären Anlagen beziehen. Leider hatten wir da nur so mäßig Glück. Man muss dem Platz zu Gute halten, dass er wirklich sehr neue und saubere sanitäre Anlagen hat – aber die sind eben nicht barrierefrei. Das alte Waschhaus dagegen hatte man wohl mal notdürftig um zwei Rollstuhlkabinen erweitert, doch des Aussehens nach, war dies nur eine vorübergehende Lösung. Denn man hatte das Fundament unter der Dusche nur aus Holz verlegt, was nicht eine sonderlich praktische Lösung ist, weil Holz ja schließlich das Wasser aufsaugt. Daher hatte sich durch häufigeres Duschen der Boden in der Mitte beider Kabinen abgesenkt und dadurch waren die Fliesen gebrochen, weshalb man mit dem Rolli eigentlich nicht mehr darüber fahren konnte. Wirklich schade, denn sonst hatte man an fast alles gedacht. Die Kabinen waren sehr geräumig, mit jeweils Toilette, Dusche und Waschbecken. Ich hätte nun ja auch im neuen Waschhaus geduscht, doch weder kam ich dort alleine hinein (Treppen am Eingang), noch kam ich mit meinem wirklich schmalen Rollstuhl durch die Türen. Wir beschlossen kurzerhand eben den Pool zu testen, der aus drei verschiedenen und wirklich großen Becken besteht, wovon eins beheizbar ist. Wir rechneten mit keiner erneuten Überraschung, denn der Campingplatz war nicht nur als barrierefrei ausgewiesen, sondern auch auf extra Nachfrage versicherte man uns, dass alles behindertengerecht sei. Tja, also in wie weit ich nun fünf Stufen am Eingang zum Pool (und zum kleinen Shop am Campingplatz ebenso) als barrierefrei empfinden soll, ist mir noch ein Rätsel. Problematisch war dabei vor allem, dass man zunächst durch ein 50cm tiefes Fußbecken waten musste, bevor man an die Treppe kam. Sodass auch die Option rausfiel, dass der Lukas mich kurzerhand mit dem Stuhl die Treppe hochziehen könnte. Wir beschlossen uns kurzerhand beschweren zu gehen und stießen dort glücklicherweise auf offene Ohren und sehr hilfsbereite Menschen, die mich zusammen in den Pool trugen. Man muss aber wirklich so fit sein, dass man noch alleine (oder mit Hilfe seines Freundes) wieder in den Pool rein und raus kommt, denn Lifte habe ich bisher an keinem einzigen Campingplatzpool gesehen.
Der letzte Tag sollte nun nochmal ein kleines Abenteuer werden. Auf dem Campingplatz hatten wir uns über Tagesausflüge in der direkten Umgebung informiert und erfahren, dass glücklicherweise einige Seilbahnen offen sind, um die Bergspitzen der umliegenden Berge erkunden zu können. Also packten wir uns etwas Proviant zusammen und fuhren mit dem Auto in Richtung Alpe d’Huez, um uns die dortigen Serpentinen hinauf zu quälen, die zu Zeiten der Tour de France Horden an verrückten Radfahrern bezwingen. Unser Auto parkten wir nun schon auf 1860m Höhe mitten im relativ leblos wirkenden Zentrum von Alpe d’Huez und machten uns auf den Weg zur Seilbahn, die uns auf den Pic Blanc bringen sollte, die „weiße Spitze“ des 3330m hohen Berges.
Behindertenparkplätze gibt es in Frankreich in den Städten übrigens fast genauso wenige, wie in vielen deutschen Städten oder man muss relativ lange suchen, weil sie von Fußgängern ohne Parkausweis beparkt sind. Doch dieses tolle Schild habe ich in Deutschland leider noch gar nicht gesehen. Unter dem Parkverbot ist gekennzeichnet, dass widerrechtlich parkende Fahrzeuge abgeschleppt werden, außer Rollstuhlfahrer (eben mit dem blauen EU-Parkausweis) und darunter steht geschrieben: „Wenn du meinen Parkplatz nimmst, dann nimm auch mein Handicap/meine Behinderung“ – eine Initiative des Lions-Clubs. Ich finde dieses Schild eine wunderbare und tolle Idee und ziemlich schade, dass ich so etwas hier noch nicht entdecken durfte. Das wäre doch eigentlich mal etwas, wofür der Lions-Club sich einsetzen könnte.
An der Liftstation erklärt mir die nette Frau lustigerweise, dass es Vergünstigungen für Rollstuhlfahrer nur in der Hauptsaison – also im Winter gebe. Ich verzichtete darauf ihr zu erklären, dass die Lifte aber absolut nicht nutzbar seien, wenn man beispielsweise Monoski fahre und kaufte einfach zwei Karten. Der Preis ist zwar relativ hoch, jedoch kann man damit auch den ganzen Tag dort oben verbringen, solange man die letzte Fahrt nach unten erwischt.
Das Abenteuer begann direkt, als wir feststellten, dass es sich bei der Seilbahn um durchfahrende Kabinen handelt, die zwar langsamer werden, aber nicht stehen bleiben. Ich fühlte mich, als wolle ich einen Paternoster erwischen, ohne in den Zwischenraum zu stürzen, denn die Kabine schwankte schon von selbst gewaltig. Ich nahm etwas Anlauf, schloss kurz die Augen und hatte die Kabine erwischt. Drinnen freute ich mich schaukelnd darüber, wie gut das geklappt hatte und genoss den geringen Andrang, sodass mein Lieblingsmensch und ich eine Kabine für uns alleine hatten – immer diese anstrengenden Touristen 😉
Der Ausblick, den uns diese Fahrt bot, war unbeschreiblich. Je höher wir fuhren, desto mehr sauste der Wind um die Kabine und wir merkten schon deutlich wie viel kühler es draußen wurde. Bei der Zwischenstation auf 2700m stiegen wir aus, um noch einmal die Aussicht genießen zu können und diese war atemberaubend. Ich war zwar schon auf einigen Bergen, doch so einen Bergsee mit ganz klarem Wasser hatte ich auch noch nicht gesehen. Zuerst wollten wir dort direkt ans Wasser, doch die Strecke war weiter als gedacht und nur ein ganz bisschen hügelig, sodass wir auf halber Strecke eine Pause einlegten und danach wieder den Aufstieg zur Seilbahn wagten. Also eigentlich nicht wir, sondern der Lukas! Da ich es mit dem Laufen ja nicht so habe, musste er mich die ganze Strecke wieder hochtragen – naja war auch seine Idee gewesen dort hinunter zu gehen. Doch hatten wir nicht bedacht, dass die Luft dort oben ja schon ganz schön dünn ist und der Aufstieg so am Ende eine halbe Stunde dauerte. Doch wieder oben angekommen, hatten wir die perfekte Möglichkeit für eine verdiente Pause gefunden: man hat dort alte Sessellifte zum Schaukeln umgebaut und ich konnte es mir natürlich nicht nehmen lassen, diese einmal auszuprobieren. Ich meine wer kann schon von sich behaupten, mal auf 2700m geschaukelt zu sein.
Wieder zurück in der Seilbahnstation brauchten wir die Hilfe der dortigen Mitarbeiter, um die knapp 15 Treppenstufen überwinden zu können und mit dem nächsten Lift die letzten Höhenmeter zu bezwingen. Auch dort stellten die Mitarbeiter schnell fest, dass an Rollstuhlfahrer wohl kaum gedacht worden war und es eigentlich nicht schwer sei, eine Rampe anzubauen. Vielleicht habe ich ja zu etwas mehr Barrierefreiheit auf fast 3000 Höhenmetern beigetragen!
Die nächste Gondel war riesen groß und konnte nur mit einer Mitarbeiterin benutzt werden, die diese steuern musste. Zusammen mit einigen anderen Touristen genossen wir die Aussicht, die sich uns nun bot. An den Berghängen war vereinzelt vereister Schnee zu erkennen und unter uns tauchten plötzlich grünlich schimmernde Bergseen auf. Die Gondel erreichte ihr Ziel und wir waren auf sage und schreibe 3330m angekommen! Die Luft war unglaublich dünn und schon bei der kleinsten Anstrengung merkte ich, wie ich nach Luft zu schnappen begann. Das Thermometer zeigte eine Temperatur von nur 2° Celsius (zum Vergleich: im Tal waren es 30°C im Schatten) aber die Sonne hatte trotzdem so eine Kraft, dass man im Sonnenschein auch im T-Shirt stehen konnte. Der Blick von über 3000m ist schon gewaltig und es erscheint fast ein wenig surreal, in doch so einer kurzen Zeit so eine Höhe überwunden zu haben und von hieraus nicht einmal mehr der Häuser im Tal erkennen zu können.
Ich suchte mir einen schönen Stein aus (ich nehme von jedem besonderen Ort immer einen Stein mit) der nun zusammen, neben dem Stein vom Mont Ventoux, auf meinem Regal liegt und mich mit seinem silber-schimmerndem Aussehen an unseren Ausflug und unseren wunderbaren Urlaub erinnern wird.

Falls Ihr die anderen Teile unserer Reise noch nicht kennt:
Frankreich Road-Trip 1/5: Gießen -> Mâcon
Frankreich Road-Trip 2/5: Mâcon -> Montpellier -> Nîmes
Frankreich Road-Trip 3/5: Saintes-Maries de la Mer -> Avignon
Frankreich Road-Trip 4/5: Bédoin
Frankreich Road-Trip 5/5: L’Alpe d’Huez
Toller Blog mit herrlichen Bildern :-). Weiter so!