Schon als ich noch recht frisch im Rollstuhl saß, stellte ich mir des Öfteren beim Durchblättern einiger Modemagazine die Frage, ob Rollstuhlfahrer keine normalen Klamotten tragen, oder warum sind sie sonst so unterrepräsentiert.

Es ist egal, ob es die Hochglanz-Zeitschriften beim Arzt sind, Modemagazine im Internet oder doch nur der Flyer des nächsten Diskounters. Nirgends sieht man eine wirkliche Diversität und Vielfalt abgebildet, wie sie unsere Gesellschaft glücklicherweise ausmacht. Na klar, mittlerweile sind auch dunkelhäutigere Menschen dort vertreten und dann gibt es noch die Kategorie der „Plus-Size-Models“, die gefühlt schon ab Größe 38 anfängt! Aber wo sind all die anderen Menschen? Große, kleine, dicke und dünne? Menschen im Rollstuhl, mit fehlenden Gliedmaßen? Die machen doch die Masse aus. Ich fühlte mich schon früher nicht repräsentiert von einem dünnen Model mit nachträglich super rein bearbeiteter Haut, das in einer Zeitschrift posiert. Aber jetzt, fühle ich mich erst recht nicht mehr angesprochen. Gerade in den letzten Wochen, beschäftigt mich dieses Thema immer mehr. Da mein Lieblingsmensch und ich uns nächstes Jahr trauen lassen möchten, steht natürlich auch die Suche nach einem geeigneten Brautkleid im Vordergrund.

Der anfänglichen Euphorie folgte jedoch sehr schnell, eine gewisse Enttäuschung. Es gibt schlicht und einfach kaum ein  Modelfoto von einem Brautkleidhersteller/Brautmodengeschäft im gesamten World Wide Web, auf dem ein Brautmodel im Rollstuhl abgebildet ist. Die einzigen Fotos, die ich finden kann, sind Privatfotos, die von den Hochzeitspaaren selbst ins Internet gestellt wurden! Das kann doch nicht sein!
Jede Frau, die im Rollstuhl sitzt, wird mir zustimmen, dass es einige Klamotten gibt, die man im Sitzen einfach nicht tragen kann. Kurze Röcke ziehen sich hoch und sind plötzlich so kurz, dass sie mehr zeigen, als einem lieb es. Zu lange Röcke schleifen an den Rädern oder verheddern sich schlimmsten Falls darin. Hüfthosen sind traumhaft, weil sie nämlich im Sitzen so tief rutschen, dass man dabei auch noch gratis den Po zeigt und auch die neue oversized geschnittene Mode kann ziemlich doof aussehen, wenn der Pulli so auf den Schoß fällt, dass es aussieht als hätte man die Klamotten ausversehen drei Nummern zu groß gekauft.

Aber noch schlimmer ist es eben bei einem Brautkleid. Natürlich wollte ich vor der ersten Anprobe schon einmal schauen, was mir so gefallen könnte. Dabei ist auch klar, dass ich sicherlich kein Prinzessinnenkleid tragen werde. 1. Bin ich nicht und war ich nie ein Mädchen, dass eine Prinzessin sein wollte. Schon an Fasching war ich lieber Piratin mit Säbel, als Prinzessin mit Krönchen. 2. Sollte ich den Tüllrock dann vielleicht so groß nehmen, dass der Rollstuhl darunter verschwindet und ich wie ein unförmiges Baiser aussehe!
Also etwas engeres. Tja. Da muss dann auf jeden Fall die Schleppe gekürzt werden, weil ich sonst einen Wischmopp unter meinem Rollstuhl herziehe und so gerade noch gratis die Location reinigen werde. Und da fängt das Ganze jetzt erst an: Wie soll ich mir das vorstellen können, wenn ich dazu kein einziges Bild sehen kann? Warum gibt es kein einziges Brautmodengeschäft, das sich einmal die Mühe gemacht hat, auch nur eine Hand voll Bilder von Rollstuhlfahrerinnen im Brautkleid mit ins Sortiment zu nehmen? Es könnte sich ja damit fast sicher sein, dass immer wieder Kundinnen im Rollstuhl vorbeikommen würde, eben weil sie sich davon haben inspirieren lassen! Und by the way, warum ist so schwer, ein barrierefreies Geschäft zu finden? Heiraten Rollstuhlfahrerinnen nicht? Nein, ich vergaß, dass sie ja asexuell sind und in Pflegeheimen versauern. Sie können froh, wenn sie als einziges männliches Wesen einen Betreuer bekommen!

Auf den bekannten Laufstegen der Welt sieht man mittlerweile ganz vereinzelt Menschen mit Behinderungen. Prothesenträger, Rollstuhlfahrer, Menschen mit Pigmentstörungen, Menschen mit fehlenden Gliedmaßen. Aber ist es wirklich ein Schritt der Inklusion? Oder ist es nicht viel mehr die Möglichkeit, damit Aufsehen zu erregen, auf sich aufmerksam zu machen und gleichzeitig auch noch dieses schönen Bilder der vermeintlichen Inklusion hochhalten zu können? Wenn wir so inklusiv sind, wo sind all die anderen Menschen auf den Titelseiten der Magazine?

Würde man mich fragen, ob ich ein Fotoshooting machen würde, ich würde sofort zustimmen. 1. Weil es mir Spaß macht, auch wenn so etwas nie mein Traum war und 2. weil sich dringend etwas ändern muss und wir nur dann etwas ändern können, wenn wir uns dafür einsetzen und handeln.