Als wir uns morgens ins Auto schwangen, auf dem Weg zur RehaCare und damit zu unserem ersten Termin mit ReWalk – Robotics, war ich gar nicht mal so besonders aufgeregt. Im Gegenteil. Ich war sogar, für meine Verhältnisse, fast ein wenig zu still und zu ruhig. Aber was soll ich sagen, die Aufregung ließ nicht lange auf sich warten. Spätestens, als wir im zweiten Stau standen und langsam klar wurde, dass wir die abgesprochene Uhrzeit niemals mehr pünktlich schaffen würden. Eine halbe Stunde zu spät – und das gleich beim ersten Treffen. Was für tolle Vorraussetzungen! Doch wie wir dort empfangen wurden, war wunderbar und das beste was mir passieren konnte. Starb ich mittlerweile nun doch vor Aufregung! Ich meine, das erste Mal wieder stehen, wieder gehen, seit zwei Jahren. Da kann man ja schon mal ein bisschen nervös werden.

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Aber wir unterhielten wir uns zunächst ganz in Ruhe, bevor der ReWalk auf mich und meine Körpermaße eingestellt wurde und ich ihn erstmals anziehen durfte. Ein merkwürdiges Gefühl, plötzlich in eine Maschine, in einen Roboter eingeschnallt auf einem Sessel zu sitzen und erklärt zu bekommen, dass man gleich zum Stehen aufgerichtet wird.

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Zum Glück ist der ReWalk ganz nett und warnt einen immer mit den obligatorischen drei Pieptönen vor, bevor er sich z.B. aufrichtet oder losläuft. Dazu hat der Läufer eine Armbanduhr an, mit der er den ReWalk bedient. In meinem Fall macht das aber nochmal der Physiotherapeut. Wir wollen mich ja nicht gleich überstrapazieren. Ich stelle also die Krücken hinter meinem Rücken auf den Boden, als ob ich mich gleich hochstemmen wolle. Der Physiotherapeut drückt auf den Aufstehknopf und süße drei Pieptöne später stehe ich allen Ernstes aufrecht im Raum.

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Ich kann meinen Augen noch nicht recht trauen, als ich in den Spiegel blicke. Es ist nicht der Rewalk mit seinen vielen Schnallen und den Motoren an der Seite, der mir ins Auge springt. Es bin ich, die mir selbst plötzlich wieder so groß erscheint. Es sind meine vollkommen durchgestreckten Beine die mir so lang erscheinen. Und es ist der Physiotherapeut hinter meinem Rücken, der mich von hinten stabilisiert, damit ich nicht umfalle, dessen Gesicht ich hinter meinem Hinterkopf nicht mehr erkennen kann. Es ist unvorstellbar, wie es sich anfühlt, anderen Menschen direkt in die Augen blicken zu können. Sich wieder auf Augenhöhe unterhalten zu können und auch als Gesprächspartner wieder mehr Gleichberechtigung entgegengebracht zu bekommen. Keiner beugt sich mehr zu seinem herunter, wie zu seinem Kind, sondern man steht sich einfach gegenüber, als sei es das normalste der Welt. Neben mir laufen plötzlich Menschen vorbei die im Stehen kleiner sind als ich und ich werde daran erinnert, wie groß ich mal war und auch eigentlich noch bin. Nicht nur ich bin überwältigt, auch der Lukas ist es. Hat er mich doch erst im Sitzen kennen gelernt und nie wirklich gesehen, dass ich gar nicht so viel kleiner bin als er. Ihn im Stehen umarmen und küssen zu können ist unbezahlbar! Das ist der Moment in dem ich zu lächeln, zu grinsen beginne und nicht mehr aufhören kann, bis ich den ReWalk wieder ausziehen muss.

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Ich übe nun also das Stehen und muss feststellen, wie wenige Gedanken man sich als Fußgänger darüber macht. Nie hatte ich hinterfragt, wie schwer es dabei ist, das Gleichgewicht zu halten. Jetzt spüre ich es. Lehne ich mich zu weit nach vorne, lastet zu viel Gewicht auf den Krücken. Lasse ich mich zu weit nach hinten fallen, bekomme ich bedenkliches Übergewicht und bin froh, dass mein Physio hinter mir steht. Also irgendwie die Mitte finden. Aber gar nicht so leicht, wenn man zwar steht, es aber absolut nicht spürt. Mein Gehirn bekommt kein Feedback von meinen Füßen, dass und vorallem wie sie auf der Erde stehen, sodass es plötzlich zig Eindrücke verarbeiten muss. Meine Augen sagen, dass ich stehe. Meine Füße sagen dazu nichts und mein Kopf versucht zwischen beiden zu vermitteln. Es dauert einen Moment, aber dann habe ich es raus und stehe schon ein wenig stabiler.

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Doch dann gehts erst ans wirklich spannende: das Laufen!
Ich bekomme erklärt, wie ich die Krücken beim Laufen einsetzen muss, damit ich das Gleichgewicht halten kann und muss sagen, das klingt am Anfang leichter als es wirklich ist. Mein Fuß wird also gelaufen, macht den ersten Schritt. Dann muss ich die Krücken nach vorne setzen, darf aber gleichzeitig nicht nach unten schauen. Das war die größte Herausforderung. Wenn du deine Füße nicht spürst, somit auch nicht weißt, wann genau der Fuß auf den Boden aufsetzt, wie soll ich dann genau wissen, wann ich die Krücken aufstellen soll? Ultimativer Tipp: Übung und ein schnelleres Schritttempo und schon bekommt das ganze mehr Rhythmus. Ich muss zugeben, ich war ehrlich überrascht, wie gut es dann doch plötzlich klappte. Hatte ich doch eher damit gerechnet, dass ich sicherlich ewig brauchen würde um das koordinativ alles hinzubekommen.

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Dann der große Moment: Ich darf auf dem Stand von ReWalk laufen. Während des Laufens musste ich mich so sehr konzentrieren, dass meine Aufregung wirklich weniger geworden war. Doch jetzt war sie wieder vollkommen da. Schließlich sind dort wahnsinnig viele Menschen, die einem andauernd mit ihren Rollstühlen, oder zu Fuß in die Quere laufen. Es ist ziemlich laut, ein großes Stimmengewirr und es starrt einen definitiv jeder an. Und wisst ihr was? Von all dem habe ich absolut nichts mitbekommen. Erst später auf Fotos und Videos sah ich, was ich alles gar nicht wahrgenommen und ausgeblendet hatte. Ich stand also plötzlich mit anderen ReWalkern zusammen, bekam von der großartigen Nicki Donelly Tipps und grinste wie ein Honigkuchenpferd. Und dann, endlich: Ich darf eine Runde um den Stand drehen. Durch die Menschenmassen hindurch laufen und mich nicht rausbringen lassen. Dieser Moment, in dem ich die ersten Schritte auf den Gängen der RehaCare machte ist einfach unbeschreiblich. Es ist dieser Moment, den ich mir noch Nachts nach dem Laufen auf Videos anschauen musste und der mir Freudentränen in die Augen getrieben hat. Es sind die ersten Schritte nach knapp zwei Jahren Rollstuhlfahrerkarriere und ich kann keine Worte dafür finden, welche wunderbaren Gefühle sie in mir auslösten.

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Aber es ist nicht nur das Laufen und Stehen an sich gewesen, was natürlich schon vollkommen ausgereicht hätte, diesen Tag zu einem der besten Tage werden zu lassen. Sondern es war auch der Gemeinschaftsgeist, die Solidarität und das Zusammengehörigkeitsgefühl, das uns von allen ReWalkern und Nicht-ReWalkern der ReWalker-Familie entgegengebracht wurde! Wir wurden so unglaublich nett und freundlich empfangen und hatten keine Sekunde das Gefühl, am Rand zu stehen, sondern waren sofort ein Teil des Ganzen. Ein Teil derer, für die das ReWalken nicht nur das Wieder-Laufen und Wieder-Stehen ist, sondern für die das so viel mehr bedeutet. Freiheit, Unabhängigkeit und vorallem Selbstbestimmung. Die Chance Orte wieder erreichen- und Dinge tun zu können, die eine lange Zeit lang für uns unerreichbar waren. Treppen zu laufen, bei denen es keine Fahrstühle gab. Beim Kochen in die Töpfe schauen zu können (mein Herd ist leider nicht umgebaut). Oder eben sich mit Menschen auf Augenhöhe unterhalten zu können!

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Und nicht zu vergessen, schlummert da in mir natürlich auch der Wunsch und die Hoffnung, dass sich durch das dauernde Üben, mein Körper wieder etwas regeneriert. Ich bin ein inkompletter Querschnitt. Zwar ist nicht mehr viel übrig, aber vielleicht erinnert sich ja mein Gehirn wieder daran, wenn ich ein und die selbe Bewegung immer wieder mache. Vielleicht werden dann alte Bahnen wieder aktiviert und nach langer Übung kann ich wieder selbstständig kleine Schritte tun. Natürlich sollte ich mir nicht zu viele Hoffnungen machen. Aber ich habe auch Gespräche mit anderen ReWalkern geführt, die mir stolz berichtet haben, dass sich gerade ihre Blasen- und Darmfunktion (ja, so positiv ich auch immer versuche alles zu beschreiben, es bleibt die Tatsache: unterm Querschnitt fast alles tot!) durch die Bewegung und das Training, besonders das aufrechte Stehen, wieder verbessert hat. Na das sind doch wunderbare Nachrichten. Wenn ich nicht schon vollkommen verliebt in den ReWalk wäre, dann wäre nun spätestens jetzt der Punkt, an dem ich meine Zweifel zurückgesteckt hätte.

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Unsere ReWalk-Reise hat gerade erst begonnen und aufgrund unserer unglaublichen Begeisterung, werden wir natürlich über jede Einzelheit berichten. Falls ihr glaubt, wir würden doch nur Werbung dafür machen wollen, dann müssen wir euch leider enttäuschen. Es gibt im Leben manchmal einfach solche Dinge, die einen vollständig in ihren Bann ziehen und so ist es bei uns mit dem ReWalk geschehen. Man muss ihn einmal selbst gelaufen sein, um eventuell verstehen zu können, woher unsere Faszination rührt. Dazu haben wir schon jetzt einige Anfragen dazu bekommen, wie und wann ihr den ReWalk selbst einmal testen könnt. Damit das für euch alles etwas übersichtlicher gestaltet ist, haben wir alles wichtige zum ReWalk nochmal auf einer extra Seite zusammengefasst. Dort findet ihr nicht nur unsere Berichte, sondern auch alle wichtigen Infos, wie ihr euch zu einer Testsession anmelden könnt, usw. Zögert nicht, Fragen zu stellen. Auch mir brannten am Anfang unfassbar viele auf der Zunge. Falls ihr euch nur für den ReWalk interessiert, könnt ihr dazu auch den separaten Newsletter dazu abonnieren und wirklich nur darüber auf dem Laufenden gehalten werden.