Kennt ihr das, wenn es einfach nicht läuft?
Wenn einfach alles schiefgeht und es euch zweifeln lässt?
Lustig, erst beim Lesen meiner ersten Zeilen musste ich über das Wortspiel schmunzeln, dabei war es gar nicht meine Absicht, auf das Laufen anzuspielen.
Aber wenn wir gerade dabei sind, es läuft eben nicht. Ich laufe nicht. Mein Leben läuft nicht. Mehr gleicht es so einem Hinken, einem vorwärts Kriechen. Auf mein Leben passt perfekt die Beschreibung: „1 Schritt vor, 2 Schritte zurück“. Ja natürlich kommt man auch so voran, aber es ist unglaublich mühselig und zumeist auch einfach schrecklich für das eigene Empfinden.
Ich beneide einige Kommilitonen aus meinem Studiengang enorm. Da weiß ich aus Gesprächen, dass ihre größten Probleme ihre Noten sind und evtl. manchmal am Monatsende das Bisschen, was sich noch auf ihrem Konto befindet. Aber das wars! Subjektiv gesehen, ist das für sie natürlich das größte Problem, denn sie haben ja auch sonst nur kleinere. Aus meiner Sicht manchmal fast ein wenig lächerlich und ich muss es zugeben, beneidenswert. Man sagt immer, dass die Gesundheit das größte Gut sei und man sie erst zu schätzen wisse, wenn sie nicht mehr intakt sei. Genauso ist es. Als Teenager habe ich mir ehrlich gesagt keine Gedanken um meine Gesundheit gemacht (wie die meisten anderen wahrscheinlich auch). Ich hätte auch nicht gedacht, dass es so kurze Zeit später schon so weit sein würde. Ich ging immer davon aus, dass ich erst im hohen Alter von Arzt zu Arzt rennen würde, weil es irgendwo zu zwicken und zwacken beginnen würde.
Tja, aber nun sitze ich hier, fühle mich körperlich wie eine 90-Jährige und könnte vor Frust fast anfangen zu heulen. Ja, mein Leben ist wirklich schön und ich bin sehr damit zufrieden, was ich bisher schon alles geschafft habe. Aber manchmal ist mein Körper ein richtiges kleines Arschloch! (ja, richtig gelesen. Manchmal müssen auch Kraftausdrücke sein, um Dinge in die richtigen Worte zu fassen!). Da gebe ich mir wirklich Mühe und behandle ihn wie ein rohes Ei und er ist trotzdem immer wieder angepisst und lässt mich das dann spüren.
Das größte Problem an meiner Behinderung ist gar nicht das Nicht-laufen-können, sondern mein kaputtes Immunsystem. Durch die vielen Behandlungen und Immunsuppressiva ist es sehr geschwächt und den restlichen Teil gibt mein Körper selbst dazu, da es ja eine Autoimmunerkrankung ist. Tataa: fertig ist die Anouk.
Ich bekomme wirklich alles. Andere sagen, dass sie zunähmen, wenn sie Kuchen nur schon anschauen würden. Ich werde krank, wenn nur jemand „Krankheit“ sagt. Ich hatte dieses Jahr schon viel zu viele Antibiotika, dadurch geht es meinem Körper jetzt im Nachhinein auch nicht viel besser und trotzdem liege ich alle paar Wochen flach. Wahlweise zu Hause oder im Krankenhaus. Da bekomme ich dann auch noch eine allergische Reaktion auf ein Medikament und schwupps, weiß ich auch mal wie sich ein anaphylaktischer Schock anfühlt. Hey, man muss ja alles mitnehmen, was man kriegen kann. Kann ihn übrigens nicht empfehlen, war zuerst nicht so lustig und den Rest weiß ich nicht mehr.
Nein, im Ernst, da hört da Spaß langsam auf. Und weil man dann mal eben 2 Wochen krank ist und im Krankenhaus liegt, muss man danach mit zig Dozenten an der Uni herumdiskutieren, weil man zu viele Fehlstunden hat. Euer Ernst? Glaubt ihr wirklich, dass ich so doof bin und 2 Wochen zuhause entspanne, damit ich danach noch viel mehr Stress habe, als zuvor?
Dazu kommt noch, dass ich jedes Mal wahnsinnig viele Termine absagen muss, auch einige, auf die ich mich z.B. ein halbes Jahr gefreut hatte. Ja, das nagt am Selbstbewusstsein und manchmal lässt es mich wirklich staunen, dass es dem Lukas nicht zu viel wird. Mit mir kann man nur schwerlich im Voraus planen, aber das scheint mich fast mehr zu stören, als alle anderen um mich herum. Denn ich wäre einfach gerne zuverlässiger was das angeht. Ich möchte, dass man sich vollkommen auf mich verlassen kann. Auch wenn ich nichts dafür kann, so stört es mich doch trotzdem enorm. Meine Basketballmannschaft ist so ein Fall. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal regelmäßig einige Wochen hintereinander im Training sein konnte. Entweder ich habe einen Schub und kann die Hände kaum benutzen, oder ich bin krank, habe Termine im Krankenhaus, etc. da könnte ich alleine schon beim Tippen ausrasten.
Ich habe meinem Körper jetzt einen Deal vorgeschlagen: da wir Ende Juli endlich in den wohlverdienten Urlaub fahren, auf den wir uns nun schon so lange freuen, hat mein Körper 2 Möglichkeiten. Entweder er benimmt sich bis dahin, oder ich tausche ihn aus. Kann er sich aussuchen, aber ich würde mir den Urlaub ja nicht entgehen lassen! 😛
Ich verstehe genau was du meinst. Mir geht es ähnlich. Wobei ich gesundheitlich (bis auf den Rollstuhl) nichts fehlt. Bei mir ist es manchmal die Psyche die mir einen Strich durch die Rechnung macht. Es muss nur irgendwas nicht passen oder ich stresse mich zu sehr und mein Kopf macht dann ein Theater das sich auf meinen Körper auswirkt und ich alles Absage. Mein Freund versteht das meistens und auch wie du denke ich mir „das er das alles aushält“. Es nagt am Selbstbewusstsein. Aber meistens dauert es ein bisschen und ich kämpfe mich wieder nach oben.
Sei nicht sauer mit dir, ich bin es auch mit mir aber der Körper lässt sich eben nicht „steuern“. Damit müssen wir eben zurecht kommen.
Liebe Grüße
Steffi
Hey Anouk,
mir geht es meist ähnlich. Ich habe den Rollstuhl seit 2009, bin jetzt 15. ich mache schon mein Leben lang Therapie und habe 3 Op’s hinter mir. Keine von ihnen hat etwas dauerhaft zum Positiven verändert, die letzte hat alles noch schlimmer gemacht. jetzt steht die 4 im Raum und ganz ehrlich: Ich will nicht mehr. Wofür das alles? Es wird doch kaum was ändern.
Und trotz dieser Meinung werde ich es mir wahrscheinlich ein weiteres Mal antun, weil irgendwo in mir ein Funken Hoffnung ist.
Was mir in letzter Zeit auch extrem schwer ist, Hilfe anzunehmen. Zumindest, wenn es nicht meine Eltern sind, die mir helfen. Dieses Gefühl von Abhängigkeit, dieses Etwas-zurückgeben-müssen – furchtbar unangenehm. Aber ich werde lernen müssen, es zu akzeptieren. Genauso, wie ich mich weiterhin mit Laufen quälen werde, auch wenn sich nichts verändert, aber ich weiß: Es gibt Menschen, die beneiden mich darum, das ich es kann.
Gerade, wenn meine Schwester jetzt total spontan mit ihren Freunden shoppen geht, bin ich sehr neidisch. Wie oft kommt mir in der Schule der Gedanke, das ich gerne mit meiner Freundin mitgehen würde und wie enttäuscht bin ich, wenn ich es nicht kann, weil ich Arzttermine habe oder mich so spontan niemand abholen kann.
Ich bin anders, ich habe nicht alle Möglichkeiten und ich bin keine “ glatte Straße“. Ich weiß, die meisten Leute mögen „glatte Straßen“, aber sie vergessen, das darauf keine Blumen wachsen. 😉
Hallo Leute, ich kenne diese Spielchen mit Körper & Psyche nur zu gut. Ich habe von Geburt an eine infantile Cerebralparese und heuer
hab ich mir zwischen 3 und 4 Halswirbel einen Nerv eingeklemmt, was die Sache nicht leichter macht, aber ich denke nicht daran auf-
zugeben. Ich habe 17 Länder bereist, mir eine Eigentumswohnung gekauft und 6 OPs überstanden. Ich bin dem Teufel ca. 12mal von der Schippe gesprungen. Mein Leben ist nicht leicht, aber leider geil.
Nicer letzter Satz! 😉
Ohje, das liest sich wirklich zäh…. Ich drück dir die Daumen, dass es bald wieder besser läuft. Hab über dieses ungeplante Wortspiel auch schmunzeln müssen.
Alles Liebe,
Tanja
Hallo Anouk. Ich kann Dich voll und ganz verstehen. Wenn nix mehr geht und nur der Kopf funktioniert, hat das was von „Schachnovelle“. Wenn die Tasse zu schwer ist und der Kaffee eher daneben läuft als in den Mund, dann spielt mein Körper auch mal wieder das kleine Arschloch…..
hallo Anouk,
Du bist ein super tapferes Mädel und gibst mir mit Deinen kleinen Geschichten viel Kraft und Zuversicht. Ich habe meinem Körper in den letzten 3 Jahren oft den Kampf angesagt. Kann Dich also gut verstehen .
Ich wünsche Dir von Herzen einen schönen Urlaub und freue mich schon auf diese Urlaubserlebnisse, an die Du uns hoffentlich wieder teilhaben lässt…….. alles liebe für Dich
Ilona
hallo Anouk,
wie heißt die Autoimmunerkrankung die du hast? Ist es ein Guillain-Barre-Syndrom?
Nina
Hallo Anouk,
immer raus mit den Krauftausdrücken! Mein Körper kann auch ein ziemliches Ekel sein und nerven. Und vor Allem die Unberechenbarkeit und -planbarkeit einerseits und das Wissen, dass man sich damit wohl auf Dauer arrangieren muss treiben mich immer wieder dezent wahlweise auf die Palme oder in den Wahnsinn.
Und dann sagt man sich Ist eben so und macht weiter…
Ich habe auch so einen Lukas, der mag mich manchmal mehr als ich mich selbst. Das darf man wohl genießen und muss sich nicht dafür revanchieren oder es an guten Tagen wett machen. Behauptet er, ich arbeite dran.
Jedenfalls ein großes Danke für den Beitrag, ich denke ja immer, ich wäre die Einzige, die dann eben nicht immer stark ist und über den Dingen steht. Und andere haben es doch viel schlechter und die machen ihr Ding. Oder so.
Und wenn es nicht auch wahrscheinlich fürchterlich kontraproduktiv wäre für die Händ würde ich ja sagen vermöbel gründlich einen Boxsack oder wenigstens ein Kissen. Oder heul rein, ganz ohne schlechtes Gewissen (sagt sich auch so einfach).
Liebe Anouk,
ich kann Deine momentane Gefühlslage gut nachvollziehen. Dieses große Wollen auf der einen Seite und dann auf der anderen Seite diese ständigen Vollbremsungen, die Dein Körper bestimmt. Und alles Wollen einfach nichts nutzt….
Ich erlebe das ganz ähnlich durch den Muskelschwund, mit dem ich mich arrangieren muss. Leben ohne Körper geht ja dummerweise nicht, aber dieses endlose Rumgenerve und Gezicke. Da kann der Mut und die Laune echt leiden….
Fühl Dich umarmt und nein, Du bist nicht alleine mit diesem Frust!
Alles Liebe wünscht Dir Nicole
hallo anouk,
ich kann deine situation verstehen.
habe nun im 4 jahr multiple sklerose und meine beine bauen immer mehr ab…
an manchen tagen geht es, an anderen: alle 30m anhalten, beine mal ansprechen, konzentrieren, wieder los…
der rollstuhl wird kommen und er jagt mir immer noch, auch nach einem nervenzusammenbruch 2014
(die erkenntnis, dass er kommen „könnte“) eine heidenangst ein. aber die angst ist eine andere, schwer zu erklären…
ich drücke dir die daumen, dass dein körper deinem „pakt“ zustimmt und
wünsche dir für den verdienten urlaub alles gute.
gruß marcus
(ein schon längerer instagram-„follower“)