Wenn ihr euch den Arm gebrochen oder das Kreuzband gerissen habt, wo geht ihr dann zuletzt regelmäßig hin, um wieder fit zu werden? Welche Berufsgruppe trainiert mit euch nach einem Bandscheibenvorfall, um die Schmerzen zu verringern und im Alltag besser zurechtzukommen?
Der Arzt hat euch vielleicht operieren müssen, aber wer bringt euch wieder auf die Beine?
Es sind die Physiotherapeuten!
Spätestens seit ich im Rollstuhl sitze ist ein Leben ohne meine Physiotherapeutin undenkbar. Einmal pro Woche liege ich bei Pia auf der Liege und sie bewegt meine Beine durch, um die Beweglichkeit zu erhalten und Kontrakturen vorzubeugen. Sie behandelt meinen Rücken, weil er durch das ständige Sitzen sehr einseitig belastet wird und spätestens nach diversen Lernmarathons in der Klausurenphase unglaublich schmerzt.
Eigentlich würde ich gerne noch öfter zur Pia gehen, doch das lässt sich zeitlich nicht einrichten. Es liegt gar nicht an meinem Zeitplan, sondern viel mehr daran, dass Pia unermüdlich am Arbeiten ist. Eine 40 Stunden Woche wäre wirklich lachhaft dagegen. Sie schuftet aber nicht nur für das geringe Gehalt, das Physiotherapeuten nach ihrer Ausbildung, die sie selber zahlen müssen, nur verdienen. Sie arbeitet für ihre Patienten so viel! Wenn ich mir spontan einen Wirbel ausrenke (und das kommt häufiger vor), dann brauche ihr ihr nur eine kurze Hilfe-WhatsApp-Nachricht schreiben und sie hängt eine Stunde ihres kostbaren Feierabends dran. Und dann rechnet sie mir manchmal vor, dass sie sich ihren einzigen Urlaub im Jahr auch eigentlich nicht leisten kann, weil sie tausende von Euro für die nächsten Fortbildungen und damit verbundenen Zertifikate sparen muss. Wer sich weiterentwickeln will, muss die Fortbildungen aus eigener Tasche zahlen. Es macht mich wirklich traurig zu sehen, wie sehr sie sich abrackert und wie wenig am Ende für sie wirklich übrig bleibt.
Übrigens 20 Minuten dauert ein Physio-Termin heutzutage. Das ist an sich schon nicht besonders viel Zeit. Mit darin eingerechnet sind aber auch der Kabinenwechsel (vor mir war jemand drin, nun muss die Bank desinfiziert werden und ich muss mich darauflegen) und meine Umkleidezeit. Machen wir uns nichts vor, wie schnell soll ich mich denn in meinem Rollstuhl umziehen und auf die Bank springen, ohne dabei kostbare Minuten zu verlieren? Ach so: dokumentieren und einen Befund erheben, muss sie in dieser Zeit eigentlich auch. Also in den zwei Minuten zwischen Tür und Angel, die sie mir ja eigentlich an der Behandlungszeit abziehen muss, soll sie dann noch den regelmäßigen Bericht für meinen Neurologen schreiben? Dass das nicht zu schaffen ist, ist offensichtlich. Und ich bin schließlich auch nicht ihre einzige Patientin. Daher muss sie die Zeit eben abends dranhängen. Unbezahlt versteht sich.
Das Beispiel von Pia steht für viele Physiotherapeuten! Einige denken ernsthaft über einen Jobwechsel nach, wollen sich neu orientieren, weil sie von ihrer Arbeit nur noch überleben – aber nicht leben können.
Was läuft schief in einem System, in dem Pflegeberufe grundsätzlich so schlecht bezahlt werden, dass alle die sich aus Überzeugung für einen solchen Beruf entscheiden, ausgebeutet werden?
Ich ziehe meinen Hut vor allen, die sich heutzutage noch für eine solche Ausbildung entscheiden. Trotz der immensen persönlichen Kosten, trotz des hohen körperlichen (und auch psychischen) Aufwands und trotz des geringen Gehalts und der damit verbundenen noch geringeren Rente.
Und es wird Zeit, dass sich etwas verändert! Unterschreibt die Petition oder erzählt euren Familien, Freunden und Bekannten davon, damit noch mehr Leute informiert werden und sich für eine Veränderung einsetzen: denn Wissen ist Macht!
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