Kennt ihr das, wenn ihr morgens aufwacht, eure Beine aus dem Bett schwingen wollt und plötzlich merkt, dass das gar nicht geht?
Nein?
Gut, dann kann ich auch sagen, dass das ein ganz schön beschissenes Gefühl ist.
Seitdem ich im Rollstuhl sitze, träume ich fast jede Nacht, dass ich noch laufen kann. Und das Merkwürdige ist, dass es mich im Traum nicht einmal wundert. Manchmal fahre ich mit dem Rollstuhl im Traum umher. Z.B. träume ich, dass ich im Sommerurlaub am Mittelmeer bin. Dann fahre ich mit dem Rolli durch die Straßen bis an den Strand – und, was im realen Leben wirklich problematisch werden würde, im Traum stelle ich den Rollstuhl einfach ab und laufe zu Fuß bis ans Wasser. Oder ich steige auf einen Berg, mache ein Wettrennen, fahre Fahrrad. All solche Dinge und nie bin ich im Traum verwundert, dass ich das kann. Im Traum ist alles möglich. Doch dann kommt der schlimme Moment des Erwachens: wenn dir knallhart vor Augen geführt wird, dass wirklich alles nur ein Traum war und nicht andersherum, das Leben im Rollstuhl nur ein Traum ist.
Als ich diesen Traum das erste Mal hatte, konnte ich meine Tränen beim Aufwachen nicht zurückhalten und vergrub mein Gesicht schluchzend, vor innerlichem Schmerz, in mein Kopfkissen. Heute tut es nicht mehr wirklich weh, aber schön ist es auch nicht. Wobei, wunderschön ist es im Traum, weil es sich so leicht und unbeschwert anfühlt. Nur beim Aufwachen, wenn ich es erst zu spät realisiere, finde ich es unlustig.
Ich habe von vielen Rollstuhlfahrern gehört, die noch nicht von der frühen Kindheit an im Rollstuhl sitzen, dass das nie aufhört. Irgendwie schrecklich und gleichzeitig schön, dass ich im Kopf nie aufhören werde zu laufen und zu träumen!
Ja, solche Träume kenne ich auch gut, plötzlich sind alle Beschwernisse hinweggewischt. Der Körper ist wieder voll Leichtigkeit und Energie. Man rennt und springt… Und kaum ist man wach, ist jeder Schritt wieder unendlich mühsam, wackelig und doch so wertvoll. ich bin zwar nicht vollständig gelähmt, aber seit 15 Jahren ist der Rolli ein verhasster, aber unverzichtbarer Begleiter. Seit wir uns vor einem Jahr unseren Hund geholt haben, zwinge ich mich, wieder mehr am Rollator zu laufen, mühsam, langsam, aber jeder Schritt zählt. Es vergeht kein Tag, an dem ich mich nicht danach sehne, über eine Pfütze springen zu können, oder einfach nur dem Hund hinterher zu rennen, wenn sie mich zum Spielen auffordert.
Ich habe Angst, dass ich irgendwann vergesse, wie weich sich der Sandstrand der Toskana damals vor 25 Jahren angefühlt hat, als die Füße noch leicht darüber liefen und ich es noch spüren konnte. Oder wie befriedigend es war, als sich nach den ersten Joggingversuchen zaghafte Erfolge einstellten.
Ich rufe mir diese und ähnliche Kleinigkeiten immer wieder bewusst in Erinnerung, es schmerzt jedes Mal. Aber die schöne Erinnerung kann mir keiner zerstören.
Im Traum werden sie wieder lebendig, dort ist alles möglich. Ich träume auch viel, dass ich wieder „richtig“ auf einem Pferd reiten kann. Die Querschnittslähmung fließt in die Träume mit ein, aber irgendwie geht da trotzdem immer alles …
In diesem Sinne, lass uns mehr träumen….
Alles Liebe,
Susanne
Ich kann zwar laufen, kenne aber solche Tröume auch. Ich habe mein Kind mit 14 Jahren verloren. In den Nöchten treffe ich mein Mädel manchmal wieder… Das Aufwachen ist so schlimm! Vor dem Sturz ins Bodenlose bewahrt mich meine Hündin. Sie freut sich immer so, wenn ich aufwache, Schwanzwedeln, Arm abschlabbern, das volle Programm, so dass ich zum Weinen dann manchmal gar nicht mehr komme. Nichtsdestotrotz ist der Tag dann erstmal gelaufen…
liebe Anouk,
ich verfolge Deine Artikel schon eine ganze Weile und bin voll Bewunderung, wie Du mit dieser Krankheit umgehst….
Ich sitze nun schon seit 3 Jahren im Rollstuhl und jeder Schulmediziner sagt mir brutal ins Gesicht, dass ich mich damit abfinden soll, dass es für mich keine Möglichkeit mehr geben wird , irgendwann wieder zu laufen….Das diese Art der Kommunikation und Diagnosen falsch ist, habe ich bereits nach ein paar Monaten erlebt. Ich erlaube niemanden mehr, mir so etwas zu sagen. Ich habe mich nach Alternativen umgeschaut und mir nach mehreren Versuchen, die richtigen Therapeuten gesucht und nun auch gefunden. Akkupunktur, Menthaltraining und jeden Tag Muskeltraining etc gepaart mit der „richtigen“ Lektüre werden meine Träume wahr werden lassen. Da bin ich mir sehr sicher. Wer seine Träume aufgibt hat schon verloren und die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich wünsche Dir weiterhin gute Träume und bleib dran…..
liebe Grüße
Ilona
Hallo ihr Drei,
Nachdem wir euch ja vor ein paar Tagen auf Instagram zufällig gefunden haben, habe ich mich in den letzten Stunden durch euren Blog gelesen (dabei wollte ich ja eigentlich arbeiten ..)
Ich finde ihn super spannend und ziemlich schön gestaltet -und das Video vom Winter, wo dich Frieda zieht ist super super cool!
Jetzt habe ich auch eine ganz genaue Vorstellung davon wofür das 5 Rad genau ist.
Ich sitze nicht im Rollstuhl, habe aber gleich zwei Aussiemädels, mit denen ich ebenfalls – im Moment außerhalb eines Vereins – sportlich aktiv bin – mit Hazel, der jüngeren red merle Hündin jogge ich zur Zeit auch und übe das Ziehen. Sie zieht zwar total gerne – aber manchmal ist sie etwas übermotiviert und dann bleibt sie plötzlich stehen und bellt mich an – wenn ich dann gerade Inliner fahre ist das aber ziemlich ungünstig..
Spannend finde ich auch, dass du Frieda als Begleithund ausgebildet hast – ich wollte ursprünglich Blindenhunde ausbilden, naja jetzt bin ich Heilpädagin und arbeite zusammen mit Emmely, dem großen Mädel als Therapeutin mit Menschen mit Autismus – also Emmely als Therapiebegleithund was auch ganz cool ist.
Nähen finde ich übrigens auch großartig, obwohl ich mir das echt schwierig mit dem Pedal vorstelle.
Jedenfalls freue ich mich Euch gefunden zu haben und in Zukunft noch mehr von Euch zu lesen.
Viele Grüße
Lizzy mit Emmely und Hazel
Hallo Anouk
Das Erwachen nach solch einem Traum kenne ich in ähnlicher Form.
Ich mußte leider in den Jahren 2014-2016 Jeweils von einen Familienangehörigen Abschied nehmen.
In meinen Träumen begegnen wir uns aber noch öfters und unternehmen meist etwas miteinander.
So schön diese Träume und das Zusammentreffen auch sind, das Erwachen und das Zurückkehren zur Realität ist jedesmal wie ein Schlag mit der Keule auf den Kopf.
VG
Bernd